VfGH: VO-Prüfung mangels Amtshilfe
Mittwoch, 19. Nov 2008

von Sebastian Schmid

VfGH 1.10.2008, V 2/07 ua

Der bei Verordnungs- und Gesetzesprüfungsanträgen bekanntermaßen auf nicht zu hohen Aktenanfall bedachte VfGH war idZ unlängst - jedoch nicht zum ersten Mal - mit einer neuen „Gefahrenquelle" konfrontiert, die ihn zu einer Bemerkung veranlasste.

Ausgangspunkt des Verfahrens vor dem VfGH war eine Verordnung des BM für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), mit der der Geltungsbereich einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf der A 1 um ca 800m ausgedehnt wurde.
Beim antragstellenden UVS Salzburg waren acht Berufungen gegen Straferkenntnisse der BH Salzburg-Umgebung wegen Übertretungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Anwendungsbereich der genannten Verordnung anhängig. Aus Anlass des ersten anhängigen Berufungsverfahrens ersuchte der UVS Salzburg den BMVIT um Vorlage der verfahrenswesentlichen Teile des Verordnungsaktes. Diesem Ersuchen wurde vom BMVIT allerdings nicht entsprochen; es wurde lediglich eine kurze Schilderung des Verordnungserlassungsverfahrens übermittelt und mitgeteilt, dass der vollständige Verordnungsakt ausschließlich dem VfGH vorgelegt werden würde.
Aufgrund dieser Vorgehensweise des BMVIT entstanden beim UVS Salzburg Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der vorliegenden Verordnung, etwa darüber, ob eine ausreichende Interessenabwägung durchgeführt worden sei. Da es ihm mangels Kenntnis der Verordnungsakten selbst aber nicht möglich war, seine Bedenken zu entkräften, stellte der UVS Salzburg einen Verordnungsprüfungsantrag an den VfGH, damit dieser eine Prüfung vornehme.
Der VfGH sah sich nun veranlasst, seiner Behandlung ‚in der Sache' folgende Bemerkung voranzustellen:
Der VfGH habe bereits in VfSlg 17.943/2006 ausdrücklich ausgesprochen, „dass eine verordnungserlassende Behörde gemäß Art 22 B VG einem UVS, der gegen eine in einem bei ihm anhängigen Verfahren anzuwendende Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hegt, insoweit zur Hilfeleistung verpflichtet ist, als der UVS dieser Hilfe zu einer dem § 57 VfGG entsprechenden Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bedarf, was insbesondere auch die Übermittlung der Verordnungsakten einschließt. Wenn auch das Zuwiderhandeln der verordnungserlassenden Behörde gegen diese sich aus Art 22 B VG ergebende verfassungsgesetzliche Verpflichtung keine Sanktionen nach sich zieht, ist die Vorgangsweise der verordnungserlassenden Behörde schon aus verfahrensökonomischen Gründen weder nachvollziehbar noch akzeptabel."

Die Rüge des VfGH ist jedenfalls verständlich, da sich vorderhand keine Erklärung für das Verhalten des BMVIT findet. Anhand des vollständigen Verordnungsaktes hätte der UVS seine Bedenken unter Umständen rasch zerstreuen können, die Anrufung eines Höchstgerichts hätte sich erübrigt.
Der Reiz dieser Konstellation zeigt sich allerdings bei einer abstrahierten Sichtweise: Eine verordnungserlassende Behörde hat bei Bedenken in Bezug auf die Gesetzmäßigkeit ihrer Verordnung von Seiten einer nach Art 139 B VG antragslegitimierten Behörde (hier: UVS) indirekt die Möglichkeit, direkt den VfGH anzurufen: „indirekt" deshalb, da sie nicht selbst anruft, sondern durch die Verweigerung des Verordnungsaktes die Behörde (UVS) zur Antragstellung zwingt; „direkt", weil der VfGH unter Ausschaltung der antragstellenden Behörde (UVS), die ihre Bedenken anhand des vollständigen Verwaltungsaktes selbst entkräften könnte, zu entscheiden hat.
Diese Möglichkeit der quasi direkten Anrufung des VfGH entspricht wohl nicht der Systematik des B-VG. Dem VfGH sind hier jedoch gewissermaßen die Hände gebunden, da das Einziehen einer Zulässigkeitsschranke aufgrund der Sanktionslosigkeit des Art 22 B-VG nicht möglich ist.

P.S.: Die sodann vom VfGH anstelle des UVS Salzburg vorgenommen Überprüfung der Grundlagen der Verordnung, führte zum Ergebnis, dass keine Gesetzwidrigkeit vorlag.

Zur Entscheidung

Aktualisiert: ( Mittwoch, 19. Nov 2008 )