ESM und Fiskalpakt: BVerfG gibt unter Auflagen grünes Licht |
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Mittwoch, 12 September 2012 |
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat heute sein Urteil über
mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur
Verhinderung der Ratifikation von ESM-Vertrag und Fiskalpakt
verkündet. Die Anträge blieben überwiegend erfolglos. Die
Entscheidung hat auch für allfällige Verfahren vor dem VfGH
Vorbildwirkung.
Während die Anträge hinsichtlich des Fiskalvertrages
vorbehaltlos abgelehnt wurden, statuierte das BVerfG für den ESM
zwei verfassungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen:
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Erstens ist eine Ratifizierung des
ESM-Vertrages nur dann zulässig, wenn völkerrechtlich
sichergestellt wird, dass sämtliche Zahlungsverpflichtungen der
Bundesrepublik Deutschland der Höhe nach auf ihren Anteil am
genehmigten Stammkapital des ESM (190.024.800.000 Euro) begrenzt
sind (s Art 8 Abs 5 S 1 ESM-Vertrag). Insb darf keine Vorschrift des
Vertrags so ausgelegt werden, dass ohne Zustimmung des deutschen
Vertreters höhere Zahlungsverpflichtungen begründet werden.
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Zweitens dürfen die Regelungen des ESM-Vertrages über die
Unverletzlichkeit der Unterlagen des ESM (Art 32 Abs 5 und Art 35
Abs 1 ESM-Vertrag) und die berufliche Schweigepflicht aller für den
ESM tätigen Personen (Art 34 ESM-Vertrag) einer umfassenden
Unterrichtung des Bundestages und des Bundesrates nicht
entgegenstehen.
Unter diesen Voraussetzungen gilt die Budgethoheit des Deutschen
Bundestags als gewahrt. Auch die Höhe der mit der Beteiligung am ESM
übernommenen Gewährleistungen im Gesamtnennwert von ca 190 Mia Euro
überschreitet nach Ansicht des BVerfG die haushaltswirtschaftliche
Belastungsgrenze, ab der die Haushaltsautonomie praktisch vollständig
leerliefe, nicht. Das BVerfG hat aber wiederum den Grundsatz
bekräftigt, dass es dem Deutschen Bundestag aus
verfassungsrechtlichen Gründen (Art 38 GG iVm Art 20 Abs 1 und Abs 2
sowie Art 79 Abs 3 GG) untersagt ist, finanzwirksame Mechanismen zu
begründen, die zu nicht überschaubaren haushaltsbedeutsamen
Belastungen ohne erneute konstitutive Zustimmung des Bundestages
führen können.
Diese Entscheidung dürfte auch Vorbildwirkung für allfällige
Verfahren vor dem VfGH haben. Allerdings sind die Umstände des
Einzelfalls zu berücksichtigen (so verfügt Österreich bzw das
österreichische Parlament schon wegen seines geringeren Anteils am
Stammkapital über weit weniger Einfluss auf die Entscheidungen des
ESM als Deutschland). Anders als in Deutschland ist in Österreich
eine Überprüfung von ESM und Fiskalpakt durch den VfGH zudem erst
nach deren Inkrafttreten möglich. FPÖ, Grüne und BZÖ haben
eine Klage gegen den Fiskalpakt angekündigt, die FPÖ resp. die
Kärntner FPK will darüber hinaus eine Verfassungsklage gegen den
ESM einbringen.
Links:
BVerfG,
2 BvR 1390/12 vom 12.9.2012
ESM-Vertrag
Fiskalpakt
(Thomas Müller)
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Last Updated ( Dienstag, 12 Februar 2013 )
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