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Genmais: Unerwartete Wende im Fall Österreich Drucken
Montag, 2. Mär 2009

von Albin Christoph Lohninger

Völlig unerwartet konnte Österreich beim EU-Umweltministerrat am 2. März eine qualifizierte Mehrheit für die Aufrechterhaltung der Einfuhrverbote von Genmais zu Zwecken der Anpflanzung erringen. Die „grüne Gentechnik" wird demnach auch weiterhin Streit-thema in den Brüsseler Institutionen sein. Eine Darstellung der bisherigen Geschehnisse in der Rechtssache „Österreich vs. Genmais".

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Wäre es nach dem Willen der EU-Kommission gegangen, hätten beim EU-Umweltministerrat am 2. März die noch verbliebenen Fragmente der österreichischen Genmais-Importverbote aufgehoben werden sollen.[1] Konkret handelt es sich dabei um das Verbot des Imports der Genmais-Sorten MON810 und T25 zu Zwecken der Anpflanzung. Bereits im Mai 2008 hatte Österreich aufgrund von Entscheidungen der EU-Kommission[2] den Import der beiden Sorten zu Zwecken der Verarbeitung und Verwendung als Lebens- und Futtermittel zulassen müssen.[3]

MON810 und T25 wurden 1998 für alle Verwendungsarten - Verarbeitung, Verwendung als Lebens- und Futtermittel sowie Anbau - von der EU-Kommission gemeinschaftsweit zugelassen. Dagegen erließ Österreich zwei nationale Verordnungen[4], mit denen es das Inverkehrbringen der beiden Sorten für jegliche Verwendungsarten auf seinem Staatsgebiet untersagte. Gestützt wurden die innerstaatlichen Rechtsakte auf die im einschlägigen Sekundärrecht (Freisetzungsrichtlinie[5]) vorhandene Schutzklausel[6]. Diese erlaubt es Mitgliedstaaten bei bekanntwerden neuer Gefahren für die menschliche Gesundheit oder Umwelt die Verbreitung bereits zugelassener Gen-Sorten - jedoch ausschließlich auf ihrem Territorium und vorübergehend - zu untersagen. In weiterer Folge wird im Ausschuss-Verfahren[7] (Komitologie)[8] die Zulässigkeit derartigen nationalen Vorgehens anhand des Vorliegens einer Gesundheits- oder Umweltgefährdung überprüft. Das Verfahren basiert auf der Initiative der EU-Kommission, die einen Aufhebungsantrag ausarbeitet und diesen an den Rat (in Zusammensetzung der Umweltminister) weiterleitet. In naturwissenschaftlicher Hinsicht wird dabei die Kommission von der Europäischen Lebensmittelbehörde[9] unterstützt. Wenn der von der Kommission vorgeschlagene Aufhebungsantrag vom Rat nicht mit qualifizierter Mehrheit angenommen oder abgelehnt wird, fällt die Entscheidungskompetenz an die Kommission zurück. Diese hat sodann in der gemeinschaftlichen Rechtssatzform einer (Individuellen) Entscheidung über das erlassene nationale Einfuhrverbot zu befinden.[10]

Im vorliegenden Fall konnte Österreich zwei Aufhebungsinitiativen der EU-Kommission gegen die 1999 und 2000 erlassenen nationalen Importverbots-Verordnungen abwehren. Sowohl im Juni 2005 als auch im Dezember 2006 gelang es dem damaligen Umweltminister und nunmehrigen Vizekanzler im Rat den Großteil seiner Amtskollegen von der Beibehaltung der Importverbote zu überzeugen. Bei ihrem dritten Anlauf[11] im Oktober 2007 schränkte die EU-Kommission ihr Aufhebungsbegehren dann ein: Nämlich auf die Beseitigung des Einfuhrverbots von Genmais zu Zwecken der Verarbeitung und der Verwendung als Lebens- und Futtermittel. Das Importverbot zu Zwecken der Anpflanzung war vom Kommissionsantrag nicht mehr umfasst. Obwohl keine qualifizierte Mehrheit für diesen Antrag im Umweltministerrat zustande kam, konnte Österreich auch keine qualifizierte Mehrheit für seine Beibehaltungsinteressen erringen. Die Entscheidungskompetenz fiel damit an die EU-Kommission zurück.[12]

Ausschlaggebend für den Verlust der Unterstützung Österreichs im Rat war vor allem der immer stärker werdende Druck von Seiten der Welthandelsorganisation. Nach der WTO-Panelentscheidung zum EU-Gentechnikmoratorium im Jahr 2006 machten nämlich die obsiegenden Kläger - allen voran die USA - immer stärker gegen die nationalen Importverbote mobil. Die USA hatten der WTO bereits detaillierte Listen für Strafzölle auf unterschiedliche Produkte aus dem gesamten Gemeinschaftsraum vorgelegt. Dies veranlasste freilich die Kommission verstärkt gegen die nationalen Importverbote vorzugehen und mobilisierte auch andere bislang für Österreichs Anliegen votierende Mitgliedstaaten, da auch deren Produkte von Strafzöllen betroffen gewesen wären, von ihrem bisherigen Stimmverhalten im Rat abzugehen.[13]

Nach einer Reflexionsphase erließ die Kommission dann Anfang Mai 2008 ihre an Österreich adressierten Entscheidungen[14]: Die nationalen Verbote für den Import der Genmais-Sorten MON810 und T25 zum Zweck der Verarbeitung und der Verwendung als Lebens- und Futtermittel sind aufzuheben. Das Einfuhrverbot von Genmais zu Zwecken der Anpflanzung konnte jedoch weiter aufrecht bleiben. Dieser Entscheidung folgend schränkte Österreich seine Importverbote Ende Mai 2008 mittels innerstaatlicher Verordnungen[15] auf das Verbot der Einfuhr der beiden Genmais-Sorten zu Zwecken der Anpflanzung ein. Entsprechendes Genmais-Saatgut durfte deshalb bislang auch weiterhin nicht nach Österreich importiert werden; Genmais zur Verarbeitung oder direkten Verwendung als Lebens- oder Futtermittel jedoch schon.

Am 10. Februar 2009 legte dann die EU-Kommission dem Rat erneut einen Aufhebungsantrag[16] vor. Dieser bezog sich auf die verbliebenen Reste der österreichischen Genmais-Importverbote: MON810 und T25 sollten demnach in Zukunft auch zum Zweck der Anpflanzung nach Österreich importiert werden dürfen. Dem Antrag war im November 2007 eine Stellungnahme Österreichs vorangegangen, worüber die Kommission bei der Europäische Lebensmittelbehörde im April 2008 ein weiteres wissenschaftliches Gutachten einholte. Im Dezember 2008 kam die Europäische Lebensmittelbehörde zu dem Schluss, dass keine neuen wissenschaftliche Beweise von Österreich vorgebracht wurden, die eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt belegen und die Geltendmachung der Schutzklausel für Zwecke der Anpflanzung rechtfertigen würden.

Der EU-Umweltministerrat hatte am 2. März 2009 über diesen Aufhebungsantrag der EU-Kommission zu entscheiden. Allen Unkenrufen im Vorfeld der Ratstagung zum Trotz[17] konnte Österreich eine qualifizierte Mehrheit für die Beibehaltung der Importverbote erringen. Da jedoch keine wissenschaftlichen Beweise vorliegen, dass MON810 und T25 eine Gefährdung für Mensch, Tier oder Umwelt darstellen, verletzt die Beibehaltung der österreichischen Genmais-Importverbote nach wie vor Welthandelsrecht[18]. Da die Regelungskompetenz in Sachen „grüne Gentechnik" bei der EG liegt und - vor allem von Seiten der USA immer stärker Druck über die Welthandelsorganisation auf die Gemeinschaft ausgeübt wird - könnten die bereits mehrfach angedrohten Strafzölle auf Produkte aus dem gesamten Gemeinschaftsraum schon bald Realität werden. Hatten doch die USA, zusammen mit Kanada und Argentinien, die EG im Jahr 2003 vor der WTO wegen des von den EU-Umweltministern 1999 beschlossenen Gentechnikmoratoriums[19] verklagt und in der 2006 ergangenen WTO-Panelentscheidung größtenteils Recht bekommen.

Dr Albin Christoph Lohninger ist publiclaw-Mitglied und Autor des Buches „Interdisziplinäre, völker- und europarechtliche Grundlagen der Gen- und Biotechnologie (Facultas 2007) und Biotechnologierechtsexperte in Wien.

[1] KOM(2009) 56 endg; KOM(2009) 51 endg.

[2] E 2008/470/EG; E 2008/495/EG.

[3] BGBl II Nr 180/2008; BGBl II Nr 181/2008.

[4] BGBl II Nr 175/1999; BGBl II Nr 120/2000.

[5] RL 90/220/EWG, nunmehr RL 2001/18/EG; zur Freisetzungsrichtlinie siehe von Kameke, Gemeinschaftliches Gentechnikrecht: Die Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG (1995); Jarass, Die Vorgaben des Europäischen Gentechnikrechts für das deutsche Recht, NuR 1991, 49; Schweizer/Calame, Das Gentechnikrecht der Europäischen Gemeinschaft, RIW 1997, 34; Dietrich/Au/Dreher, Umweltrecht der Europäischen Union (2003) 339 ff; Lohninger, Interdisziplinäre, völker- und europarechtliche Grundlagen der Gen- und Biotechnologie (2007) 257 ff.

[6] Art 16 RL 90/220/EWG, nunmehr Art 23 RL 2001/18/EG.

[7] Art 30 Abs 2 RL 2001/18/EG iVm Art 5, 7 u 8 Beschluss des Rates 1999/468/EG.

[8] Allgemeines zur Komitologie etwa in Streinz, Europarecht6 (2003) 200 ff.

[9] European Food Safety Authority (EFSA).

[10] Art 5 Beschluss des Rates 1999/468/EG.

[11] KOM(2007) 586 endg; KOM(2007) 589 endg.

[12] Siehe Lohninger, Genmais: Österreichs Importverbot unter Druck, Die Presse v 30. Oktober 2007.

[13] Siehe Lohninger, WTO, Gentechnik und EU, Die Presse v 25. September 2007.

[14] E 2008/470/EG; E 2008/495/EG.

[15] BGBl II Nr 180/2008, BGBl II Nr 181/2008.

[16] KOM(2009) 56 endg; KOM(2009) 51 endg.

[17] Siehe Lohninger, Gen-Saatgut bald auch in Österreich erhältlich?, DiePresse.com v 26. Februar 2009.

[18] Art 2, 3 u 5 Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures (kurz: SPS); zum SPS siehe Stoll/Schorkopf, WTO - Welthandelsordnung und Welthandelsrecht (2002) 106 ff.

[19] Auf der Ratstagung in Luxemburg im Juni 1999 einigten sich die EU-Umweltminister bis zur grundlegenden Novellierung des gemeinschaftlichen Gentechnikrechts keine genetisch veränderten Produkte mehr zum Inverkehrbringen zuzulassen. Dies entsprach der Praxis der EU-Mitgliedstaaten seit Mitte des Jahres 1998 bis auf Weiteres keine Genehmigungen zum Inverkehrbringen von genetisch veränderten Produkten zu erteilen sowie jener der Kommission nicht gegen einzelstaatliche Vermarktungsverbote vorzugehen. Lohninger, Interdisziplinäre, völker- und europarechtliche Grundlagen der Gen- und Biotechnologie (2007) 321 ff.

Aktualisiert: ( Dienstag, 3. Mär 2009 )